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Der Schokoladenverkäufer

Autor: Petrus Faller

Auszug:

Venusbrüstchen

Venusbrüstchen Zutaten: Schlangenkraft, Maronen-Nougat-Creme, Sekt, Sahne, Sperma, Patschuli, Orgasmen

Damals lebte er nahe an der Grenze zu Frankreich, was auch kulinarisch gesehen ein anderes kulturelles Verständnis und Verhältnis zum Genuss bedeutete. Er liebte die jungen französischen Frauen nicht nur wegen ihres betörenden Akzents, sondern auch, weil sie viel direkter, weiblicher und sinnlicher waren als die meisten deutschen Mädchen. Und im Gegensatz zu Deutschland gab es dort schon viele vortreffliche Maitres de Chocolat, die unvorstellbare Kreationen aus Schokolade zauberten. Die Lieblingskreation des Schokoladenverkäufers hieß „Venusbrüstchen“. Eine Praline, dem weiblichen Busen nicht unähnlich, die innen meist aus einer weichen Maronen-Nougat Füllung bestand und außen mit dunkler oder weißer Schokolade überzogen war. Als krönenden Abschluss besaß sie in der Mitte eine wundervoll-schokoladige, oft rot eingefärbte, aufgesetzte „Brustwarze“. Herrlich frivol, eindeutig und unglaublich lecker.

Zum Wochenende deckte er sich, schon in französischer Liebeslaune, mit den „Venusbrüstchen“ ein und ging, wie sie oft in jenen Jahren seiner langsam ausklingenden Pubertät, wieder auf eine Party. Man muss sich die Partys von damals, Anfang der 1980er Jahre, ganz anders vorstellen als heute. Die „Szenen“ waren bunt durchmischt, die Hippies feierten mit den Schickimickis und umgekehrt, es gab keine Berührungsängste oder harte Abgrenzungen. Auf eine solche Party war er eingeladen worden und, wie sich zu später Stunde herausstellen sollte, auch seine gazellenhafte Wildkatze, um im Beisein einer seiner besten Freunde vorbeizuschauen. Mit ihrem Eintreffen erschien auch wieder diese besondere, elektrisierende, leuchtende Energie auf der Partybühne. Wie immer war sie der absolute Hingucker mit einem selbstgeschneiderten, wallenden, hoch bis zur Hüfte geschlitzten hellrot-braunen Rock. Mit ihren unverschämten hellbraunen Beinen darunter, die Fußkettchen umspielten, und ihrem schlanken Oberkörper, der von einem weißen Body mit einem großen Micky-Mouse-Aufdruck in Szene gesetzt wurde. Lange Ohrringe, mit Früchten bestückt, baumelten zwischen ihren blonden langen Haaren. Gott, war sie schön! Wie erotisch! Welche Frau konnte selbst mit einer unsagbar unschuldigen Micky Mouse, die sich über ihre weiblichen Formen spannte, so geil aussehen? Der Schokoladenverkäufer wusste gar nicht, wo er hinschauen sollte. Da gerade der Sommer begann, hatte sie ihre nackten Füße mit rot lackierten Nägeln in halbhohe Hippie-Sandalen gesteckt, die sie aber bald auszog. Die Party nahm weiter ihren Lauf, das ganze Haus stand zur Verfügung und die Räume füllten sich.

Die Venusbrüstchen hatte der Schokoladenverkäufer sicherheitshalber in einem Nebenzimmer deponiert. Dort drapierte er sie jetzt auf einen großen Teller und schritt durch das Partygetümmel, um erst einmal die Mädchen zu beglücken. Frauen und Schokolade, es war immer wieder ein Show und die aufreizenden Pralinen taten ihr übriges. Ein Kuss war das wenigste für das süße Teil, was dem Schokoladenverkäufer als Dank zuflog. Und dann stand sie vor ihm, die reine sinnliche Verführung, die pure Anziehung, jung, un-sündig und reif wie ein Korb voller duftender Pfirsiche, ungebändigte Schlangenkraft in ihren Augen, die ihm den Verstand raubte. Wie immer, wenn sie sich eine Weile nicht gesehen hatten, brachten sie kaum ein Wort hinaus. Sie war wegen ihm gekommen. Ein Funke schoss durch seinen Körper, das bekannte Zittern folgte, eine Erregung, die nichts mit objektfixierter Geilheit zu tun hatte.

Der Schokoladenverkäufer hatte schon früh bemerkt, dass es da zwei Arten von Stimulation der sexuellen Energie gab: Die eine klammerte sich an Objekten fest, an Vorstellungen, an oberflächlichen Reizen, die von außen kamen und mehr von der Vorstellungskraft oder Einbildung geleitet waren – dem Porn-Mind, vollständig selbsterzeugt. Die andere stieg tief aus dem Bauchraum hervor, aus einer Verbindung mit dem anderen. Sie machte das Herz schwach, elektrisierte alle Nerven, funkelte, explodierte und brachte ganz andere Dimensionen und Tiefen der Geilheit hervor, die sich sogar in den Genitalien anders anfühlte – tiefe Erotik und Liebe.

Er hielt ihr grinsend ein Venusbrüstchen direkt vor die Nase und schaute ihr über den Schoko-Nippel hinweg verwegen und vielsagend in die Augen, und während sie schon hineinbeißen wollte, zog er es ruckartig wieder weg. Sie boxte ihn leicht in die Seite, lachte und wollte das Venusbrüstchen sofort wieder vor ihrem Mund haben. Während sie ihn in purer Lust mit großen Augen anschaute, öffneten sich ihre Lippen und die Zunge spielte genüsslich an der aufgesetzten, rötlichen Schokoladenspitze, ohne reinzubeißen, und leckte nochmal mit ihrer flinken Zungenspitze über die glatt-glänzende Schokoladenoberfläche. Sie hatte ihn. Oh mein Gott, wie würde dieser Abend enden?

Gebunden und als eBook verfügbar.

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